Rückblende:
4.9.2007 - Vier Studenten und ein Priester sitzen im dritten Stock der Franz-Mehring-Str. 4, 15230 Frankfurt (Oder) in einer ziemlich hässlichen, aber urst bequemen braunen Leder-Wohnzimmergarnitur und unterhalten sich über den Verlauf des nächsten halben Jahres. Eine Blonde mit Ringellocken fragt: "Können wir nicht auch mal über die Beichte sprechen?" Das Gesicht des Priesters beginnt zu leuchten.
Zurück in der Gegenwart (bzw. fast in der Gegenwart):
6.11.2007
Die bereits bekannten vier Studenten sitzen mit drei weiteren und demselben Priester in der "Bibliothek" der kath. Pfarrgemeinde Hl. Kreuz in Frankfurt (Oder). Ein Flipchart steht bereit. Darauf stehen Begriffe wie "Reue", "Neuanfang", "Umkehr". Es ist mehr eine Erstbeichtkatechese auf Erwachsenenniveau, anders als man bei der Lektüre des Semesterprogramms erwarten könnte. "Dogmatische Beichtvorbereitung" steht dort, aber man muss sich ja den Realitäten anpassen. Über die Hälfte weiß gar nicht sicher, wozu das gut ist - Beichten. Auch kann man auf dem Flipchart lesen: "1 v 7 Sakr: T, F, E, B, KS, E, PW". Immer wieder hört man Kichern, immer wieder wandert eine Tüte Goldbären von einem zum anderen. Der Priester redet schnell, verspricht sich oft, unterbricht sich selbst, aber er glüht vor Eifer, und die Studenten unterbrechen ihn ebenfalls, stellen Fragen, teilen ihr Vorwissen miteinander. Zwischendurch immer mal wieder einzelne Wörter oder Sätze auf Spanisch oder Englisch, damit auch unsere Erasmus-Studentin halbwegs folgen kann. Aber sie kennt sich eh ziemlich gut aus in diesem Bereich. Der Priester schnappt sich in einer kurzen Atempause auch mal die Tüte und klaut sich sein erstes Gummibärchen: "Ich liebe Haribo." Immer wieder die eine Frage: "Warum soll ich das eigentlich einem Priester erzählen? Kann ich nicht in den Wald gehen, um mit Gott zu reden? Und Gott weiß doch eh, was ich mache - warum muss ich das nochmal beichten?" Geduldige Antwortversuche. Studenten können hartnäckig sein, geben sich nicht schnell zufrieden. Die Beichte sei die conditio sine qua non für die Vergebung schwerer Sünden. Aufstöhnen unter den Jurastudentinnen. Nein, wir wollen hier keine uns bekannten Fachbegriffe aus dem Strafrecht. So geht es noch ziemlich lange weiter. Reihum wird dann ein Beichtspiegel vorgelesen: "Habe ich meinen Eltern gehorcht?" "Bin ich dankbar für die Möglichkeit zur Schule zu gehen/zu studieren?" Gekicher. Und am Ende wird diskutiert: Was passiert nächste Woche? Wer bringt was zu essen mit? Können wir uns noch überlegen, ob wir wirklich beichten wollen? Beichtstuhl (Nachteil: müffelt) oder ein Zimmer (Nachteil: Anonymität geht verloren)? Wie läuft so ein Bußgottesdienst ab? Wer kauft Getränke für die anschließende Agape? Und: Wird das aus der Studentenkasse bezahlt? Der Priester gähnt und schließt kurz die Augen. Schnell wird der Rest geklärt, nebenbei auch mal wieder unsere soziale Plätzchenbackaktion vor Weihnachten durchgesprochen, dann noch eben zuende aufgeräumt, und dann sind die meisten auch schon weg in Richtung warmes Bett.
Und jetzt wirklich Gegenwart:
Ich sitze am Schreibtisch. Nichts ist so langweilig wie das allgemeine Verwaltungsrecht, aber für die Privat-AG am Freitag muss ich noch ca. 50 Seiten durcharbeiten. Da summe ich plötzlich und ohne es eigentlich zu wollen den Ohrwurm, den ich seit gestern spätabends habe: "... wie ein unverhoffter Gruß, wie ein Blatt an toten Zweigen, ein 'Ich-mag-dich-trotzdem-Kuss'". So ist Versöhnung ..."
NB: Vorhin konnte ich mich nicht überwinden, diesen Artikel zu schreiben. Jetzt schon. Danke.
Danke der Nachfrage
vor 17 Stunden
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