Liebe Amica,
ich freue mich aufrichtig über Deine Freundschaften und die Menschen, die Dir versichern, wie sehr sie Dich mögen, vielleicht sogar bewundern. Ich wünsche Dir allerdings noch etwas mehr Gelassenheit und Freude am Genuss in den alltägliche Dingen des Lebens. Dazu gehören sogar so profane Dinge wie die Sonntagssachen, eigentlich nur "FÜR GUT", auch mal im Alltag zu tragen, mal etwas Besonderes wagen und Fraulichkeit, sogar Sinnlichkeit zu empfinden. Ich, übrigens Katholikin, sehe darin in gar keiner Weise eine Diskrepanz in meinem Glaubensverständnis, sondern genieße mein Frausein, was sich auch im Kleidungsstil ausdrückt, jeden Tag.
Deine Unterteilungen in katholisch, evangelisch, orthodox empfinde ich als starr und kategorisch. Wir alle glauben an den Einen Gott, der uns alle gleichermaßen liebt.
Meine liebe anonyme Kommentatorin,
vielen Dank für Deine Nachricht. Es ehrt mich, dass Du Dir so viele Gedanken über mich machst und mir helfen möchtest. Du kritisierst zwei Punkte: Zum einen, dass ich meine Sonntagssachen nur an Sonn- und Feiertagen trage, zum anderen, dass ich in meinem Text eine Unterteilung vornehme in katholisch, evangelisch und orthodox. Jedoch muss ich sagen:
"Etwas wagen", das tue ich nicht, indem ich die Sonntagskleidung alltags trage. Was sollte daran auch Wagnis sein? Es ist heute nicht mal mehr so, dass meine Mutter dann schimpfen würde, denn sie lebt mehrere hundert Kilometer entfernt von mir und bekommt das gar nicht mit. Als Kind bekam ich manchmal einen kritischen Kommentar, wenn ich die guten Sachen mitten in der Woche tragen wollte. Das hat sich natürlich irgendwie schon eingeprägt, und vor vier Jahren, nachdem ich zuhause ausgezogen war, beschloss ich auch prompt, diese Trennung in Kleidungssachen aufzuheben. Recht bald aber stellte ich dann fest: Wenn man das Besondere nicht besonders hält, dann kann man sich auch nicht mehr an der Besonderheit freuen. Oder, wie es mir eine Freundin ins Poesiealbum schrieb:
"Wer jeden Tag nur Kuchen ißt
und Keks und Schokolade,
der weiß ja nicht, wann Sonntag ist;
und das wär wirklich schade."
Recht hatte sie, diese Freundin, mit ihrer kleinen Weisheit - und das schon im Grundschulalter. Als erwachsene Frau beeindruckt mich das. Für mich gehört das Aufsparen der "besseren" Kleidung heute dazu zum Sonntag wie der Besuch der Sonntagsmesse, das Nicht-Einkaufengehen trotz geöffneter Geschäfte, das Nicht-Putzen meiner Wohnung am Sonntag und das Nicht-Lernen trotz geöffneter Bibliothek. All das könnte ich tun, doch würde ich dadurch für mein Empfinden den Sonntag entweihen. Den Feiertag heiligen. Drittes Gebot. Ihn für den HERRN, der an diesem Tag auferstanden ist, besonders halten - feiern. Wenn ich etwas wagen will, dann tu ich das wirklich auf andere Weise. Aber das würde an dieser Stelle zu weit führen.
Auch Dein Argument, ich würde dadurch an Fraulichkeit und Sinnlichkeit gewinnen, leuchtet mir nicht ganz ein. Weil meine Alltagskleidung ja nicht hässlich ist, auch ist sie nicht schmutzig oder kaputt, sondern eben nur nicht mehr brandneu. Darin sehe ich aber keinen Nachteil. Oder trägst Du all Deine Kleidung immer nur eine einzige Saison? Und: Fraulicher soll ich werden und an Sinnlichkeit gewinnen. Muss ich denn das? Bin ich nicht "fraulich" und "sinnlich" genug, wie ich bin? Soll Leute geben, die das finden. Aber auch diese Leute sind nicht entscheidend. Ich selbst will gar nicht mehr in dieser Richtung fortschreiten. Ich bin Frau, ich bin gerne Frau, und manchmal bin ich sogar "typisch Frau". Und Sinnlichkeit ist ein Wert, den ich als Selbstzweck ziemlich zweifelhaft finde. Ich strebe nicht nach einem Mehr an "Fraulichkeit" und "Sinnlichkeit". Aber selbst wenn ich es täte, müsste ich dazu nicht die Sonntagskleidung am Werktag tragen. In diesem Sinne ist die Kleidung nämlich egal, sie ist eine äußere Hülle. Fraulich und sinnlich bin ich - Amica - in einem mir angemessen erscheinenden Maße immer, egal was ich trage.
Nun aber endlich zu dem anderen Kritikpunkt. Unterteilung in Katholiken, Protestanten und Orthodoxe. Du findest das "starr" und "kategorisch". Und ich empfinde es als abwertend und traurig, wenn man immer alles gleich macht. Ich lade Dich ein, nochmal den Ausgangsartikel nachzulesen. Darin wirst Du feststellen, dass Ilina und ich darüber diskutierten, ob wir am Reformationstag gemeinsam lernen. Und ich sehe einfach keinen Grund, der dagegen spräche. In unseren Konfessionen feiert man keinen Reformationstag. Wir haben aber auch unsere protestantischen Freunde nicht in ihrer Feier gestört. Wir trafen uns lediglich in Ilinas Wohnung, um dort einige Stunden miteinander den Allgemeinen Teil des BGB auseinanderzunehmen. Für mich persönlich wäre es unangenehmer gewesen, dies einen Tag später zu tun - da hatte ich dann nämlich Feiertag, wenn auch dieser in Brandenburg kein staatlicher ist. Schlimm fände ich es, wenn man ohne Unterschied einfach alle Christen gleichsetzen würde. Ich möchte keinen Reformationstag feiern, genau wie ich Protestanten kenne, die mit Fronleichnam so ganz und gar nichts anfangen können, weil sie eben ein komplett anderes Abendmahlsverständnis haben. Soll ich ihnen das aufzwingen? Es geht hier nicht darum, jemanden abzuwerten. Das würde ich eher durch Gleichmacherei tun, denn dann würde ich die Eigenheiten des einzelnen nicht mehr respektieren.
Denk doch noch mal darüber nach, ich lade Dich ein.
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