Montag, 16. Juli 2007

Psalm in meinem Leben

Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?
Ich warte. Geduld hab ich wenig. Das ist so bei mir. Ich warte mit einer Intensität, die wirklich dem Durst gleichkommt, ihn sogar übersteigt. Ich weiß, ich hab noch was zu erledigen vorher. Halte ich es so lange aus? Manchmal zweifle ich echt daran. Durst kann quälend sein, wenn er zu lange anhält. Er kann einen auch töten.

Tränen waren mein Brot bei Tag und bei Nacht, denn man sagt zu mir den ganzen Tag: "Wo ist nun dein Gott?"
Wenn man in der Diaspora lebt, und ich meine damit die Diaspora, in der die Mehrheit nicht die Protestanten sind, sondern diejenigen, die gar keine Religion haben, dann kennt man diese Situation: Hohn und ein bisschen Mitleid, wenn man sagt, man glaubt an Gott. Wo ist er denn? Ich sehe ihn nicht. Du musst schon ein bisschen bescheuert sein, dass du so oft zur Kirche rennst. Schau her, das Leben ist schön, man kann so viel Spaß haben. Parties sind besser als deine komischen Gottesdienste, wo du alte Leute triffst, die an einen komischen irrealen Gott glauben, den es sowieso nicht gibt. Lerne lieber, dann machst du ein gutes Examen und hast was in der Hand, mehr als deine Hirngespinste. Nutze die Stunden, die du hast, in der Bibliothek und vergeude sie nicht in einer alten Kirche.
Und wie lautet meine Antwort?

Das Herz geht mir über, wenn ich daran denke: wie ich zum Haus Gottes zog in festlicher Schar, mit Jubel und Dank in feiernder Menge.
Ja, da gibt es wundervolle Erinnerungen. Die tragen mich durch. Die Domwallfahrt beim WJT war sicher die, die dem Psalmvers am nächsten kommt, denn da waren wir wirklich eine jubelnde, feiernde Menge ... Aber auch andere. Rom zieht an meinen Augen vorbei, Neuzelle, Tschenstochau, Kevelaer, Ratzeburg. Meine Wallfahrtsorte. Und das große Haus am Starnberger See. Da braucht es gar nicht so sehr die festliche Schar, damit mir das Herz übergeht ... Da strahle ich ganz von alleine.

Meine Seele, warum bist du betrübt und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.
Ja, wart's doch ab: Der Tag wird kommen, an dem passiert, was du ersehnst. Er mag jetzt noch so weit weg aussehen, aber in Wirklichkeit ist es gar nicht mehr diese Ewigkeit, die es für dich zu sein scheint.

Betrübt ist meine Seele in mir, darum denke ich an dich im Jordanland, am Hermon, am Mizar-Berg.
Überall wo ich bin, wo mich mein Leben hinführt, denke ich an Gott. Wann ist es endlich so weit?

Flut ruft der Flut zu beim Tosen deiner Wasser, all deine Wellen und Wogen gehen über mich hin.
Manchmal scheint Gott selbst in seiner Kraft zerstörerisch zu sein, wenn es zu heftig stürmt, die Unruhe zu stark wird. Gott ist das Wasser, und wenn er zu heftig und stürmisch auf mich einsprudelt, kann ich es ertragen? Das ist wie eine gefährliche Sturmflut: Gehe ich darin unter und verliere alles, mein ganzes Leben? Werde ich ertrinken, weil ich mich nicht oben halten kann? Weil das Schwimmen in solch wilden Gewässern schwer ist für einen, der schon geschwächt ist? Das Wasser hat Kräfte, die der Mensch nicht beherrschen kann - um wieviel mehr hat dann Gott solche Kräfte!

Bei Tag schenke der Herr seine Huld, ich singe ihm nachts und flehe zum Gott meines Lebens.
Auch in den dunkelsten Zeiten Vertrauen haben ...

Ich sage zu Gott, meinem Fels: "Warum hast du mich vergessen? Warum muss ich trauernd umhergehen, von meinem Feind bedrängt?"
Schwierige Stelle: Die Gottesanklage. Darf ich das? Gott sowas vorwerfen? Steht mir das überhaupt zu? Aber es ist ehrlich: Manchmal erfahre ich ihn so, als Zerstörer, als einen, der mich verlassen hat. Muss nicht stimmen, aber es fühlt sich halt so an. So à la: Erst machst du große Versprechungen, und dann lässt du mich in der Luft hängen, ...

Wie ein Stechen in meinen Gliedern ist für mich der Hohn der Bedränger; denn sie rufen mir ständig zu: "Wo ist nun dein Gott?"
... lässt zu, dass sich die anderen über mich moquieren, lustig machen. Was soll das denn, bitte? Das tut mir weh!

Meine Seele, warum bist du betrübt und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.
Ich beklage mich hier, denn Gott ist zu stark für mich. Aber hey, das ist doch der Gott, der mich ruft und mich will! Er wird mich retten, und es wird mir besser gehen, als es mir ohne ihn jemals gehen könnte. Nur noch ein bisschen Geduld!

Verschaff mir Recht, o Gott, und führe meine Sache gegen ein treuloses Volk! Rette mich vor bösen und tückischen Menschen!
Sie nehmen mich nicht an, die Menschen meiner Umgebung, denn ich passe nicht in ihr Bild von der Welt. Wenn ich hier bleibe und weiter in ihrer Welt lebe, komme ich auf Dauer nicht klar. Denn sie haben andere Ziele, ihnen geht es um Karriere, um Geld, um Ruhm. Da werden sie auch rücksichtslos gegenüber dem, der nicht mitzieht. Pass du auf mich auf, Gott, dass ich nicht zugrunde gehe ...

Denn du bist mein starker Gott. Warum hast du mich verstoßen? Warum muss ich trauernd umhergehen, von meinem Feind bedrängt?
Ja, gute Frage, warum eigentlich? Warum muss ich das hier mitmachen, dass ich nicht nur nicht akzeptiert, sondern auch verspottet werde? Was sollte das heute mittag? Kannst du dich nicht mal vor mich werfen, mich schützen? Du könntest es doch, du hast doch die Macht! Ich verstehe es nicht. Es scheint wie in einem Irrgarten, wo ich ganz allein bin, und den Weg nach draußen kenne ich nicht ... Warum muss ich ihn alleine suchen? Kannst du mich nicht einfach rausholen? Ich weiß doch, dass du es kannst!

Sende dein Licht und deine Wahrheit, damit sie mich leiten; sie sollen mich führen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung.
Deine Hoffnung schicke mir, deinen Geist, der mich führt, deine Eingebung und deine Worte, deine Klugheit und überhaupt ... Dass ich durch das alles hier gut hindurchkomme, ohne mich zu verrennen - und dann zu dir kommen kann. Gib mir Kraft, Gott, und führe mich an deiner Hand, dass ich so weit komme, bis hin zu dir.

So will ich zum Altar Gottes treten, zum Gott meiner Freude. Jauchzend will ich dich auf der Harfe loben, Gott, mein Gott.
Ja, wenn es dann so weit ist ... dann werde ich strahlen und dich loben, mich freuen und jubeln. Dann werden es auch alle sehen, hören können. Auf den Tag freu' ich mich!

Meine Seele, warum bist du betrübt und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.
Gott, greife ein in mein Leben, hol mich hier heraus, lass mich nicht zu lange warten! Du bist mein Retter, mein Schutz, und ich vertraue darauf, dass du das auch weißt. Und eines Tages werde ich sehen, dass es stimmt!

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ist das Leben in der atheistischen Diaspora wirklich so schlimm, dass man zu so teils doch recht trüben Gedanken neigt. Ich selbst kenne ja nur eine zeitweise Diaspora in einem überwiegend protestantischen Gebiet, aber auch die bestand eher auf dem Papier, statt irgendwie wahrgenommen zu werden.

Ich glaube einer der wichtigsten Punkte steht schon im ersten Absatz. Die Geduld! Meiner Meinung nach ist das nicht nur eine der wichtigsten Tugenden, die Gott uns abverlangt, sondern auch eine der häufigsten. Vor allem ist sie aber auch eine der schwersten. Und man kann sie durch Ungeduld oder allzu großes Herbeisehnen des Endes eher minderwertiger machen, statt sie anzunehmen und mit ihr zu leben. Geduld ist wie einen steilen Berg hochgehen, wenn man stets auf den nächsten Schritt sieht, kommt man zügig voran. Wenn man stets auf den Gipfel sieht, wird man nur frustriert. Aber natürlich sollte man den Gipfel trotzdem kennen.

(Und ich hoffe jetzt ehrlich gesagt, das war jetzt nicht zu wirr. ;-) )

Amica hat gesagt…

Hallo Thomas,

normalerweise würde ich sagen: Nein, das Leben ist auch und gerade in der Diaspora nicht so schlimm. Aber es gibt manchmal Situationen, in denen es einem (mir) so richtig über ist. Ich glaube, von solchen Situationen spricht auch der Psalm. Denn auch der Psalmist wird es normalerweise geduldig ertragen haben, wenn man ihn fragte: Wo ist dein Gott?
Abgesehen davon kommt es vielleicht tatsächlich auf das Ziel an, das einem vor Augen steht, und dazu auf die Art, wie man darauf schaut. Geduld, das hast Du sehr richtig erkannt, ist ein wichtiger Punkt - an dem es mir einfach immer noch mangelt. Manchmal schlägt die Ungeduld eben ganz fies durch. Ich kann vorher nicht sagen wann und wie ... Aber es kommen auch wieder bessere Tage, Tage an denen ich meinem Ziel nahe bin oder dort ankomme. Aber gestern abend war kein solcher Tag.

Anonym hat gesagt…

Sehr schön - danke Dir für diese Gedanken! Ich darf ja zur Zeit auch wieder benediktinisches Chorgebet mitbeten und staune, wie gerade auch beim Singen die Psalmen sich mit ganz persönlicher Bedeutung füllen. Es ist ein großes Geschenk.

Anonym hat gesagt…

Ich kann alles nachvollziehen.

Alles, auch das Gefühl, alleine zu sein; auch wenn es nicht stimmt. Wir sind nicht alleine, unser HERR ist bei uns, und einiges Bodenpersonal, auch amateurliches.

Sehr schön, was Thomas zur Geduld geschrieben hat; in einem Forum lautete eine Signatur (und wird wieder lauten): Lernen ist Demut und Geduld; Demut auch davor, daß Geduld erforderlich ist. Denn der HERR weiß, was für mich gut ist, nicht ich; und der HERR weiß, welche Aufgabe ich zu erfüllen habe (und ich hoffe, dies lernen zu können).

Diaspora ist schlimm, kann schlimm sein; aber unfeine Gemeindeverhältnisse, Streitereien oder anderer Unfrieden unter Christen auch.

Deine Psalmunterlegung hat mich, inhaltlich und stilistisch, beeindruckt. Subsumtionstechnisch gesehen, sozusagen.

Herzlichen Gruß.