Dienstag, 3. Juli 2007

Alle Räder stehen still ...

... wenn mein starker Arm es will. So dachten und handelten heute morgen von 5 bis 9 die deutschen Lokomotivführer. Aber Moment: Alle Räder? Nein, ein kleiner ICE aus Kiel in Richtung Zürich, fahrplanmäßige Abfahrt war 7 Uhr 12, setzte sich um 8:06 in Bewegung. Betrieben wurde er entweder von Streikbrechern oder von den wenigen verbliebenen Bahnbeamten. Mit an Bord: Amica, auf der Rückfahrt von einem der seltenen Besuche bei den Eltern. Bis nach Kiel war ich mit einem Großraumtaxi und 6 weiteren Leuten gefahren, sonst wär ich vielleicht jetzt noch nicht in Frankfurt (Ost) angekommen. Zwar hatte mir die freundliche Dame von der Hotline gesagt, der Zug nach Kiel fahre, wenn auch mit Verspätung, aber das stellte sich als Fehlinformation heraus. Und auch in Kiel war von meinem ICE Richtung Berlin nichts zu sehen, und so war ich sehr froh über den Zürcher. Aber auch der half mir im Endeffekt nichts, denn in Hamburg waren auch alle anderen Züge Richtung Berlin so sehr verspätet, dass ich schlussendlich in den Zug stieg, mit dem ich auch aus Kiel hätte fahren sollen. Glücklich mit 73 Minuten Verspätung in Berlin angekommen, kam der nächste Schock: RE 1 nach FF um 12:17 fällt aus. Dass ich es mit dem nächsten nun wirklich nicht mehr zu meinem Examinatorium schaffen würde, war mir klar (Ich hatte ja extra so gebucht, dass ich beinahe zwei Stunden Puffer hätte für die üblichen Verspätungen - aber wer hat schon vor drei Wochen mit einem Streik bei der Bahn gerechnet?), und so ging ich zum Dienstleistungspunkt mit der Frage, ob ich nicht ausnahmsweise trotz des nur Semestertickets den EC Richtung Warschau nutzen könnte, der zum einen beinahe zehn Minuten früher abfährt als der RE und zum anderen bis Frankfurt nicht hält. Nein, freischalten dürfe sie mir den EC nicht ("Das ist ja nicht Deutsche Bahn."), so die schon leicht gestresste Dame, aber einen Zettel gab sie mir mit, auf dem sie die Verspätung meines Zubringerzuges und den Ausfall des RE bescheinigte. (Ein reichlich provisorischer Zettel übrigens, von Formulierung und Rechtschreibung her verbesserungswürdig, aber sei's drum - es gibt schließlich wichtigeres.) Mit einiger Überredungskunst brachte ich dann auch die Dame am Bahnsteig dazu, nachzufragen, ob der EC freigegeben werden könnte - und ja, alles gar kein Problem an einem Tag wie heute. Man muss nur hartnäckig sein. Das Problem war dann nur: Der EC kam nicht. Die Anzeige wurde irgendwann umgestellt auf RE 1 - ohne Ansage, wohlgemerkt - und die polnischen Wartenden waren leicht verwirrt, als dann fast zehn Minuten nach planmäßiger Abfahrt des EC der RE einfuhr ... Auf Nachfrage erklärte ich ihnen noch, dass das nicht ihr Zug sei, und dann stieg ich ein. Hauptsache Richtung Frankfurt, der Rest war mir langsam so egal. Das Examinatorium begann, als der Zug ankam. Ich wollte aber eh lieber nach Hause und die Augen ein Stückchen zumachen. Also tat ich das ...
Was ich auf der ganzen langgezogenen Reise heute ein wenig erstaunlich und frech fand, war eigentlich eine reine Formalie: Stets hieß es: "Wir bitten um Ihr Verständnis." Nicht ein einziges Mal bat die Bahn um Entschuldigung. Verständnis für für ihre Angestellten habe ich schon, denn die haben in meinen Augen völlig Recht, wenn sie nicht einsehen, warum nur der Bahn-Vorstand ordentlich Geld kriegt, die Deutsche Bahn reihenweise Gewinne macht, die Fahrpreise erhöht werden, aber ein Lokführer immer noch mit um die 1200 Euro netto auskommen muss - aber für die Bahn habe ich kein "Verständnis" in dieser Situation. Ich finde es sogar ausgesprochen daneben, dass sie jetzt Verspätungsgutscheine verweigern mit dem Argument, Streik sei höhere Gewalt. (Das ist übrigens nur anerkannt, wenn nicht die eigenen Leute streiken. Höhere Gewalt, im Englischen by the way "act of God", sehr feiner Ausdruck, impliziert ja gerade, dass man nichts dafür kann.) Nein, ich hätte eigentlich eine Bitte um Entschuldigung der Bahn für das Allerallermindeste gehalten. Aber damit würde man ja zugeben, dass vielleicht doch was dran ist an dem Streik ...
Und auch die Verspätungsanzeigen an den Bahnhöfen waren mal wieder ein einziger Euphemismus. Lieber Hartmut Mehdorn, wie lange noch?

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hier bittet die Bahn neuerdings bei jeder Verspätung "um Entschuldigung" - Aber das macht eine Computerstimme, daher wirkt das in meinen Ohren nicht.

Diego hat gesagt…

ich weiß doch, warum ich trotz allem ein verbissener Autofahrer bleibe....