Freitag, 27. Juli 2007

Ex 20, 1-17

Heute in der Tageslesung: Ein ganz besonderes Schmankerl. Die zehn Gebote.

Immer, wenn ich den Text lese -

Dann sprach Gott alle diese Worte: Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen; denn der Herr läßt den nicht ungestraft, der seinen Namen mißbraucht. Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt. Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt. Du sollst nicht morden. Du sollst nicht die Ehe brechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen. Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgend etwas, das deinem Nächsten gehört.

- also: immer, wenn ich diesen Text lese, meldet sich irgendwie die Juristin in mir. Ich glaube, zu keinem anderen Bibeltext kennt der gemeine theologisch halbgebildete Christ so viele Kommentierungen. Denn viele Beichtspiegel basieren auf den zehn Geboten. Da ist es manchmal sehr interessant, was daraus gemacht wird. Ich nehme mal an, ich könnte eigentlich die gängigen juristischen Auslegungsmethoden (Wir fragen nach Wortlaut, Zusammenhang, Ziel und Zweck und hilfsweise auch nach der Entstehungsgeschichte von Normen.) mit einiger Vorsicht auch auf die zehn Gebote anwenden, denn sie sind ja sowas wie Gesetze - wenn auch mehr Gesetze der Liebe. Im Hinterkopf halten sollte man immer, dass wir nicht den authentischen Text lesen, sondern eine Übersetzung, die eigentlich nur hilfsweise herangezogen werden darf. Aber wer von uns könnte schon die zehn Gebote im Original lesen und verstehen? Gut zu wissen, dass das "du sollst (nicht)" der Gebote eigentlich eine nicht so schöne Übersetzung ist, dass es mehr "da wirst du doch (nicht)" heißen müsste. Ich bin dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus - da wirst du doch nicht andere Götter neben mir haben - klingt für mich ganz anders. Im Polnischen kriegen sie das mit der Übersetzung für mein Empfinden schöner hin. Davon mal abgesehen, finde ich die meisten "Kommentierungen" in den Beichtspiegeln eher kontraproduktiv. Sie halten davon ab, sich selbst mit diesen Geboten auseinanderzusetzen und über ihre Bedeutung nachzudenken. Eigentlich finde ich, dass die Gebote so schön und klar formuliert sind, dass man damit auch allein zurechtkommen müsste. Selten sah ich so klare Vorschriften in den deutschen Gesetzbüchern ...
Aber sei es, wie es ist. Zurück zu den Beichtspiegeln. Die sind ja oft ganz schön auf heutige Verhältnisse angepasst. Das mag in Maßen ja in Ordnung sein, vielleicht sogar manchmal nötig für das Verständnis. Aber alles hat seine Grenzen, und insbesondere die Interpretation von Schriftworten. Neulich las ich in einem Beichtheftchen für Kinder das 6. und das 9. Gebot zusammengefasst unter "Reinheit". Naja, irgendwie scheint mir das ja ein wenig fraglich, denn die Ehe brechen bzw. die Frau des Nächsten begehren, das ist für mich etwas, was auf Kinder einfach nicht zutreffen kann. Das sind mehr gesellschaftliche Fragen, die aber erst für den erwachsenen Menschen überhaupt anwendbar sind. Sicher sagt Jesus: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch begangen. Aber ist nicht auch das etwas weit ausgelegt mit der Frage, ob man sich freiwillig "schlechte Zeitschriften (z.B. 'Bravo')" angesehen hat? Abgesehen davon, dass Verbotenes doppelt reizt und diese Zeitschriften durch solche Beichtspiegelfragen nur interessanter werden, finde ich es relativ normal, dass Menschen auf dem Weg zum Erwachsenwerden sich auch mal soetwas anschauen. Ich selbst hab sogar fünf Exemplare der Bravo gekauft; danach erkannte ich von selbst, dass das Niveau wohl auch in weiteren Ausgaben nicht steigen wird und habe darauf verzichtet. Dies habe ich nie gebeichtet. Muss ich das jetzt nachholen? Nee, mal ehrlich, ich halte das für Unsinn. So wird nur Verklemmung gefördert und der Akzent völlig falsch gesetzt. (Überhaupt bekommt man häufig den Eindruck vermittelt, alles was mit Unkeuschheit zusammenhängt, sei besonders furchtbar und schlimm. Aber: Schlimmer als Mord? Schlimmer als die Eltern nicht zu ehren? Schlimmer als andere Götter zu haben?)
Sicher ist das jetzt auch ein besonders krasses Beispiel der Überdehnung des Wortlautes gewesen. (Dass im bereits zitierten Beichtheftchen dann auch Du sollst nicht morden ganz banal zu "Nächstenliebe" wird ... Naja. Will ich jetzt nichts weiter zu sagen.) Für mich ist es manchmal schön, wenn ich mir einfach nur diesen reinen, unkommentierten und unausgelegten Text aus Exodus 20 zur Hand nehme und selbst überlege. Ohne Beichtspiegel dazu, sondern nur mit einem Gebet zum Heiligen Geist um Erkenntnis. Ich finde immer noch genug. Vielleicht habe ich nicht gemordet und auch nicht im Prozess falsch ausgesagt. Aber schon beim "Verlangen nach des Nächsten Haus" (wo die gängige Übertragung in "Hab und Gut" dann wohl schon gerechtfertigt ist), wird es manchmal schwierig. Oder erst bei den ersten drei, vier Geboten. Da bleibt noch genug über. Und ansonsten kann man ja immer noch ausweichen auf das Doppelgebot der Liebe, wo dann ja so ziemlich alles drin enthalten ist. Aber nicht immer die Worte der zehn Gebote bis ins Unendliche überdehnen ... Das nimmt ihnen so viel. Viel mehr als es geben kann.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wieder was gelernt. Das mit dem "...da wirst Du doch nicht..." war mir unbekannt, finde ich aber sehr schön und plausibel und überhaupt deckt sich das mit meinem Eindruck, daß das Hauptproblem der Menschheit die Angst vor und das krampfhafte Vermeiden von Freiheit ist...Vielleicht verstehst Du mich ja.

Grace :-)

Amica hat gesagt…

Ja, ich fürchte, ich verstehe Dich. *seufz* So war's aber dann natürlich nicht gemeint. Ich mein, die zehn Gebote sind ja eben auch nicht alles.