Der Adventshymnus „Komm, du Heiland aller Welt“ wurde von Ambrosius von Mailand im vierten Jahrhundert unter dem Titel „Veni redemptor gentium“ geschrieben. Die Übertragung, die wir unter Nummer 108 im Gotteslob finden, klingt für uns sehr altertümlich. Da ist von „kundmachen“ die Rede und von „obsiegen“ – Wörter, die in unserem allgemeinen Sprachgebrauch keine Rolle mehr spielen. Es erstaunt mich fast ein wenig, dass die Übertragung erst 1971 erfolgte. Aber mir gefällt der Stil. Kaum ein Lied haben wir in diesem Advent in unserer Gemeinde so oft gesungen wie dieses, und dennoch ist es mir nicht über. Ich kann es den ganzen Tag vor mich hin singen, wenn keiner zuhört. Die mir leicht fremde Sprache, die ich nicht sofort und ohne Nachdenken erfassen kann, passt zu dem Lied, das Ehrfurcht und Staunen ausdrückt. Staunen darüber, dass Gott, der ja groß ist, allmächtig, der unseres Lobes nicht bedarf, sich für uns so klein macht und ein Mensch wird wie wir, die wir klein sind. Da mag ich manchmal mit offenem Mund stehen bleiben und mich einfach nur wundern: Warum tut Er das? Die Antwort kennen wir: Weil Er uns, weil Er mich unendlich liebt und uns, mich, erlösen will. Da nimmt Er es dann auch auf Sich, Mensch zu werden.
Und wenn Gott Mensch wird, das beschreiben die zweite und die dritte Strophe, dann tut Er das nicht auf gewöhnliche Weise. Im Prinzip sammelt das Lied Schriftworte: Die Zeugung durch den Geist, das Fleischwerden des Wortes, der Vergleich zur Sonne aus dem 19. Psalm, die Einheit von Gott und Mensch. Die vielschichtige Thematik wird auf wenige Zeilen verdichtet aufgeführt; konzentriert wird uns das ganze Wunder dargestellt, was dazu führt, dass es noch unfassbarer erscheint, als es sowieso schon ist.
Und am Ende spitzt sich das Lied zu. Die vierte Strophe, die traditionell erst ab dem 17. Dezember gesungen wird, gibt einen Ausblick auf den Glanz der Krippe. Ein Glanz, ein Leuchten, das jede Nacht durchdringt und von keinem Dunkel, so stark es auch sein mag, mehr besiegt werden kann. Für mich ist es immer etwas ganz besonderes, diese Strophe endlich singen zu dürfen. Denn wenn ich den Glanz der Krippe erahnen kann, dann dauert es nicht mehr lange. Dann muss ich nicht mehr warten. Dann ist es bald soweit: Dann kommt mein Erlöser in die Welt. Gott wird Mensch. Und ich, ich stehe und staune.
Dieser Text von mir füllte das heutige Türchen des katholon-Adventskalenders.
Wenn Herbst ein Zustand ist
vor 10 Stunden
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