Der Domvikar Patzelt ist ein weiser Mann. Schon in seiner Predigt in der Messe zu Beginn unserer Wallfahrt zur Pfingstnovene von Frankfurt (Ost) nach Neuzelle sagte er uns richtig voraus, dass wir uns manchmal fragen würden: "Warum tu ich das hier eigentlich?" Und das hängt insbesondere damit zusammen, dass das Wort "Wallfahrt" in unserem Fall nur halb treffend war: Wir sind zwar gewallt, aber nicht gefahren. Nein, wir haben vielmehr mit unseren Füßen gebetet. Um die 40 Kilometer (es ist noch umstritten, ob es nun 38 oder 42 waren, aber darauf kommt es wohl auch nicht wirklich an) sind wir gelaufen. Wir, das war eine ziemlich bunte Truppe von zunächst 14, später nur noch 13 Personen aus dem Erzbistum, altersmäßig zwischen "sieben Jahre" und "bereits im Ruhestand". Manche davon kannte ich schon und habe sie wiedergetroffen, andere habe ich neu kennengelernt.
Jedenfalls zogen wir gestern vormittag mit recht guter Laune los, und zwar zunächst auch ohne nennenswerte Unterbrechungen - die erste davon kam gegen 13 Uhr, als wir in Finkenheerd in der russisch-orthodoxen Kapelle ein Dank- und Bittgebet beteten, das dem von vor anderthalb Wochen recht ähnlich war. Habe mich gefreut, so bald wieder dort zu Gast sein zu dürfen. Wir machten dort auch Pause, die meisten im Schatten sitzend und verschnaufend, unsere beiden Jüngsten aber durchaus auch auf dem Trampolin auf dem Spielplatz nebenan. Ein wenig sorgte noch für Aufregung, als wir zu dieser Zeit erfuhren, dass es mit unserem Nachtquartier in Eisenhüttenstadt wohl nicht klappen würde. Nun war Umdenken angesagt; nach vielen Telefonaten auf dem weiteren Weg (es lebe das Handy) und mancher Diskussion in der Gruppe war schließlich die Entscheidung gefallen, nicht für die Nacht nach Frankfurt zurückzufahren, um dann morgens wieder an den Punkt der Unterbrechung zurückzufahren und von dort weiterzulaufen, sondern die letzten "paar" Kilometer (irgendwas zwischen deren fünf und zehn) bis nach Neuzelle auch noch hinter uns zu bringen. Immer wieder beteten wir gemeinsam, was den Tag ganz gut strukturierte. Auch Rast im Schatten gehörte natürlich zum Programm. (Davon dies Foto, auf dem mal wieder kein Pinguin zu sehen ist - der stand ja hinter der Kamera.) Beim beständigen Gehen aber - einige von uns wurden dabei braun, andere rot - kamen wir unserer jeweils ganz persönlichen Grenze bedenklich nahe. Ich selbst fragte mich nicht nur, warum ich das eigentlich machte, sondern war sogar kurz vorm Aufgeben. Aber wie so oft wurde auch mein Stoßgebet um Kraft erhört: Einer trug meine Last (in Form des Rucksacks), und dann konnte ich auch wieder. Selbst als ich ca. drei km vor dem Ziel die Möglichkeit hatte, mich im Auto fahren zu lassen, zog ich es durch. Schließlich hatte ich ja einen Grund, an diesem Walllauf teilzunehmen, und Aufgeben wäre wirklich nur im allerallerschlimmsten Fall akzeptabel gewesen. Müde kamen wir etwa viertel nach acht in Neuzelle an und bezogen unser Quartier in den Gemeinderäumen mit den vorausgefahrenen Isomatten und Schlafsäcken.
Heute morgen feierten wir eine Messe, in der ich endlich mal wieder ministriert habe, und brachten in den Fürbitten unsere Wallfahrtsanliegen noch einmal ausdrücklich vor Gott. Auch Maria haben wir zum Schluss der Messe noch einmal angerufen, indem wir vor der Wallfahrtsmadonna das Neuzeller Wallfahrtslied "Maria, Mutter, Friedenshort" sangen. Ich weiß genau: Wenn Gott, und davon bin ich überzeugt, die Bitte hört, die ich in erster Linie durch mein Mitgehen vor IHN tragen wollte, dann ist das die Blasen an den roten Füßen wert, die ich als Andenken mitgebracht habe. [Ehe Kommentare kommen: Das Schuhwerk war in Ordnung und geeignet, nur mit den Socken hatte ich arge Probleme, die sind immer rumgerutscht.]
Ihren eigentlichen Abschluss fand unsere Tour für mich aber in einem sehr hilfreichen und langen Gespräch mit einer lieben Person, die für mich schon seit geraumer Zeit ganz klar ein "Engel auf Erden" ist. Dafür bin ich dem HERRN ganz besonders dankbar, aber auch für das Geschenk, dabeigewesen und auf eigenen Füßen angekommen zu sein. Für den Spaß mit den Kindern, für die vielen netten Menschen, für den ausgebliebenen Regen.
Und so zeigt sich, dass auch der zweite Teil des anfangs bereits halb widergegebenen Satzes von Domvikar Patzelt stimmte: Auch, wenn ich mich manchmal fragte, warum ich mir all das antue, so war mir doch insgesamt ganz klar, dass ich bei dieser Wallerei ganz richtig war.
Den halben Tag in der Kirche
vor 10 Stunden
4 Kommentare:
[nichtssag]
Socken sollten einige Tage getragen sein, bevor sie auf eine Wallfahrt (resp. Wanderung) dürfen.
[/nichtssag]
Falls Du Lust auf mehr hast:
www.wallfahrt-nach-telgte.de
Im nächsten Jahr bin ich wieder dabei.
Kikero,
die Socken hab ich schon sehr lange und auch bereits sehr oft getragen. So haben sie sich noch nie verhalten.
[nichtfrag]
Hast Du keinen echten Hirschtalg verwendet? (/nichtfrag] Der Tipp war ernst gemeint gewesen.
Gute Besserung!
Ich darf ja gar nichts sagen.
Mir ist einmal zu Beginn der Wallfahrt nach Telgte ein Schuh kaputt gegangen.
Darauf hin bin ich den Weg in Slippern gegangen. Nach der Hälfte des Weges hatte ich an jedem Fuß zwei taubeneigroße Blasen.
Auf dem Weg selber war das nicht so schlimm, wenn man sich an den Schmerz gewöhnt hat, dann geht's. Schlimm war es, nach jeder Unterbrechung wieder loszulaufen.
Weder davor noch danach habe ich mir jemals Blasen gelaufen.
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