Was die letzte Woche hindurch so geschah. Teil 1. Bei meinen Eltern.
Dienstag, 28.8.2007
Ich wache morgens um 6 auf, wie so oft kurz vorm Weckerklingeln, und die Übelkeit des Klausurtags ist vorüber. Endlich. Ich stehe auf, packe die letzten Sachen zusammen, schmiere Brote für unterwegs. Mit der Reisetasche hinter mir (sie hat Rollen, es ist die, in der ich gestern noch meine Backsteinsammlung hatte) ziehe ich los Richtung Kirche. Ich habe meine Zugverbindung danach ausgesucht, dass ich noch ohne Probleme vor der Abfahrt in die Frühmesse gehen und mir hinterher den Reisesegen spenden lassen kann, denn bis Freitag werde ich keine Gelegenheit mehr zum Messbesuch haben. In Schleswig-Holstein mit seinen riesigen Flächengemeinden, in denen der Pfarrer oft der einzige Hauptamtliche ist, gibt es nicht zwangsläufig jeden Tag eine Messe. So auch in meiner Heimatgemeinde. Als ich an der Kirche ankomme, steht vor der verschlossenen Tür eine Frau, die offensichtlich nicht von hier ist. Ich spreche sie an und nehme sie mit zum Hintereingang, der ziemlich versteckt liegt. Sie freut sich und erzählt mir in den fünfzehn Minuten bis zum Beginn der Messe ihre halbe Lebensgeschichte. Sie kommt aus Bayern.
Als ich gegen halb zehn im Zug sitze, fällt mir ein, dass ich meine Ersatzbrille vergessen habe. Wenn das mal gut geht - aber ist es ja bisher immer. Lieber Gott, achte Du mal mit darauf. Ohne Brille wär ich aufgeschmissen. Die Fahrt ist, wie immer, eine Mischung aus Langeweile und Lesen. Um 15 Uhr komme ich in meinem Heimatdorf an. Meine Eltern warten am Bahnhof auf mich. Papa hat Urlaub; der ist wohl auch bitter nötig. Die letzten Wochen waren für ihn sehr stressig. Ich freue mich, dass ich immer abgeholt werde. Den Weg zum Elternhaus könnte man auch laufen, wäre kein Problem.
Am Abend unterhalten wir uns über meine Zukunft. Wie das Studium voraussichtlich weitergeht, wie der Umzug zurück organisiert wird. Und was dann passiert. Meine Pläne gefallen meinen Eltern nicht bis ins letzte; sie sind für mehr Ausbildung. Aber ich kann darlegen, dass ich alles zumindest durchdacht habe, auch wenn mein Ergebnis ihnen nicht passt. Die endgültige Entscheidung liegt sowieso bei mir, ich bin ja erwachsen. Klingt arrogant, ist aber so.
Gegen zehn Uhr bin ich total müde und gehe ins Bett. Ich nehme mir aber noch "Was in zwei Koffer passt" mit hoch in mein Zimmer. Meine Eltern haben das Buch vor einigen Wochen gekauft, und ich muss an D. aus der Studentengemeinde denken, die es immer lesen wollte. Naja, sie ist jetzt in Istanbul; selbst wenn ich das Buch mitnehmen würde, könnte ich es ihr erst einmal nicht leihen. Ich will zwischen Duschen und Komplet noch eine Viertelstunde lesen. Um zwei Uhr morgens schalte ich das Licht aus. Ich bin auf Seite 200. Was immer man über die Motivation der Autorin sagen mag, sich einer Ordensgemeinschaft anzuschließen (Ich halte es in ihrem Fall für einen Fehler.), in jedem Fall schreibt sie spannend. Und ich genieße es, mal wieder einfach so zu lesen.
Mittwoch, 29.8.2007
Um 9 weckt mich meine Mutter. Frühstück ist fertig. Ich bin noch ziemlich müde, denn in den letzten Wochen hat sich ein Schlafdefizit angesammelt, sodass sieben Stunden einfach noch zu wenig sind. Mir fehlt noch mindestens eine halbe Stunde bis "ausgeschlafen". Aber meine Eltern können ja nichts dafür, dass ich noch so lange gelesen habe.
Auf dem Frühstückstisch steht Nutella. Das hat meine Mutter für mich gekauft, ich weiß es. Früher gab's das zu Weihnachten und Ostern, und vielleicht ein Glas im Urlaub. Heute ist ein hoher Feiertag, wenn ich komme. Naja. Ganz gemächlich essen wir, reden, lesen Zeitung. Als wir fertig sind, machen wir uns auf den Weg. Wir wollen Opa besuchen und vorher noch spazierengehen. Opa wohnt in einem Dorf am Nord-Ostsee-Kanal. Die Eltern wohnen im Prinzip auch in der Nähe des Kanals, aber am anderen Ende. Opa ist dorthin in ein altes Haus gezogen, das seiner Lebensgefährtin gehört, die er einige Jahre nach Omas Tod kennenlernte. Ich war noch nie dort, und ich habe Opa seit zwei Jahren nicht gesehen. Eineinhalb Autostunden sind eben doch ein gewisses Hindernis. Am Kanal stellen wir uns auf einen Parkplatz und essen unsere mitgebrachten Brote. Mir ist schlecht; ich bin Autofahren nicht mehr gewöhnt. Schon gar nicht, dass ich hinten sitze. Beim folgenden Spaziergang in der Nähe von Brunsbüttel treffen wir einen alten Brückenkopf. Sieht interessant aus. Auf dem Wappen, das darauf ist, erkennen wir den Adler mit der Krone Karls des Großen auf dem Kopf und noch ein paar anderen kleinen Wappen im Bauch.
Als wir bei Opa sind, bekomme ich erstmal das ganze Haus gezeigt. Sehr typisch für Norddeutschland. Es ist zu Zeiten des Baus des Kanals entstanden. Ganz viel altes Porzellan steht in Vitrinen, und nur Opas Computerzimmer ist schlicht und modern. Ich mag das Haus. Beim Kaffeetrinken sitze ich so, dass ich die vorbeifahrenden Schiffe angucken kann. Manche sind sehr beladen mit Containern, andere sind Segelboote. Wir reden über alte Zeiten. Nach eineinhalb Stunden müssen wir wieder fahren, weil Papa abends Chorprobe hat.
Als er weg ist, nimmt Mama sämtliche Körpermaße von mir in ein Programm auf, mit dem sie Schnittmuster erstellen kann. Dabei ist mir manches unklar. Wofür braucht man bitte die Höhe meines Fußknöchels? Die Länge vom Halsansatz bis zum Scheitel? Naja, egal. Das Programm will gefüttert werden. Der Vergleich mit Standardmaßen zeigt mal wieder, dass ich einen normalen Oberkörper, aber einfach zu kurze Beine habe. Mein Kopfumfang ist dagegen völlig normal, obwohl ich als Kind einen deutlichen Dickkopf hatte. Aber ich sag ja, dass der sich rausgewachsen hat. Nur glaubt mir ja keiner. Abends treffe ich noch kurz auf meinen Bruder, der im Moment von morgens bis abends außer Haus ist.
Donnerstag, 30.8.2007
Heute darf ich tatsächlich ausschlafen. Zum Frühstück esse ich noch ein wenig Nutella, damit Mama nicht traurig ist. Den Vormittag verdaddele ich ein wenig, muss auch mal sein dürfen. Ich lese das Buch zuende und diskutiere mit meinem Vater darüber. Wir gehen zusammen einkaufen. Mittags machen wir Pizza, drei Bleche. Eines davon wird vegetarisch, damit ich morgen ein bisschen als Proviant mitnehmen kann. Meine Mutter lächelt über meine Sturheit in dieser Hinsicht. Früher hat sie mir Freitags Käse auf mein Schulbrot getan.
Am Nachmittag mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof. Mit dem Zug fahre ich in die Stadt, um den Herrn Heimatpfarrer zu besuchen. Er freut sich immer, wenn "seine" Studenten bei ihm vorbeischauen. Er zeigt mir das neue Beichtzimmer in der Kirche; das alte schimmelte und stank grauenvoll. Bald wird es fertig sein; es muss noch der Boden hinein und eine schwere Tür. Auch der Turm ist hoffentlich bald fertig renoviert. Als um sechs die Glocken zum Angelus läuten, werde ich ein wenig traurig: Die alten waren kaputt, die neuen (gebraucht geschenkt bekommenen aus einer profanierten Kirche) klingen anders. Wieder ein Stück Kindheit weg.
Abends trinken meine Eltern und ich noch eine Sangria, aber ich gehe bald ins Bett. Die nächsten Tage erwarte ich nicht so viel Schlaf. Morgen geht's weiter nach Düsseldorf.
Fortsetzung folgt.
Runter vom Gas
vor 11 Stunden
2 Kommentare:
wie fandest Du das buch "Was in zwei Koffern packt"? Um es gleich vorwegzusagen, mir persönlich war es, gerade weil ich selber mal Benediktinermönch war- zu dürftig
Ich wollte eigentlich noch einen eigenen Artikel dazu schreiben - nur soviel vorweg: Die Motivation, aus der die Autorin ins Kloster eintritt bzw. darin bleibt, halte ich für zweifelhaft. Vorsichtig gesagt.
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