Freitag, 12. Januar 2007

6000 Existenzen abgebrannt

Als Frankfurter Studentin habe ich manchmal den Eindruck, dass die meisten Touristen, die in unsere Oderstadt kommen, gar nicht wirklich zu uns wollen, sondern nach "nebenan" zu unseren Nachbarn. Große Reisebusse karren die Menschen zu Hunderten aus ganz Deutschland heran, "Tagestour zum Polenmarkt" steht auf den Zetteln, die hinter den Windschutzscheiben der überall in Odernähe parkenden Vehikel kleben.
Das alles wird sich jetzt schlagartig ändern: Der "Bazar", wie ihn die Polen nennen, in Słubice ist in der Nacht vom 10. auf den 11. Januar den Flammen zum Opfer gefallen. Kurze Notizen fand man auch in den deutschen Zeitungen, aber das Interesse ist schon verflogen, bevor überhaupt auch nur die Ursache der Katastrophe bekannt wurde: Die polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza" berichtet, an einer der Buden habe es im Zuge einer Renovierung Schweißarbeiten gegeben, durch die wohl ein Stand gegen 21 Uhr Feuer gefangen habe. Einige Personen versuchten, den Brand selbst zu löschen, doch die Sicherheitskräfte des Marktes mussten schon sehr bald die Feuerwehr benachrichtigen. Auch die Słubicer Feuerwehr kam allein nicht weiter, denn zum Markt gehörte auch eine Tankstelle, die sie allein nicht sichern konnte. So wurden die Frankfurter Feuerwehren zur Hilfe gerufen, die mit 12 Löschfahrzeugen und 95 Feuerwehrleuten ausrückte. Das Feuer brannte bis in den Morgen; die Tankstelle konnte gesichert werden, dem Herrn sei's gedankt. Erschwert wurden die Löscharbeiten dadurch, dass die Hydranten in Bazarnähe nicht funktionierten und die Löschwagen zum Teil bis nach Frankfurt (etwa anderthalb Kilometer) pendeln mussten, um Wasser zu holen. Außerdem hatten viele Händler in ihren Buden kleine Gasflaschen, so dass es immer wieder Explosionen gab.
Das Ausmaß der Schäden ist enorm. Zwar wurde niemand verletzt, aber fast alle der 1200 Buden sind zerstört. Die 650 Händler und häufig ihre Familienmitglieder sind nun arbeitslos. Aber auch die Taxifahrer, die die deutschen Kunden von der Grenzbrücke zum Bazar brachten und auch die Betreiber der Warendepots haben keine Lebensgrundlage mehr. Insgesamt hätten 6000 Menschen ihre Existenz verloren, so die "Gazeta". (Zum Vergleich: Słubice hat etwa 17000 Einwohner.) Der Schaden wird auf mehrere Millionen Złoty geschätzt; etwa vier Złoty sind ein Euro. Der Markt machte jährlich etwa zwei Millionen Złoty Umsatz.
So viele Menschen stehen vor dem Nichts; die meisten Händler waren nicht versichert. Wie wird es weitergehen? Der Słubicer Bürgermeister Ryszard Bodziacki kündigte an, den Markt wieder aufzubauen - aber wie lange dauert das? Und wer wird es bezahlen? Vielleicht kann ja der eine oder andere Leser dieser Zeilen Zeit für ein fürbittendes Gebet erübrigen für die vielen, die jetzt nicht wissen, wovon sie Nahrung, Kleidung und Miete bezahlen sollen. Vergelt's Gott!

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