Sonntag, 15. April 2007

Beim Leben meiner Schwester

Die neue Brille verändert mein Leben: Ich habe mal wieder ein Buch gelesen, einen Roman. Klingt jetzt nicht gerade umwerfend revolutionär, aber es ist im letzten Jahr wirklich zur Seltenheit geworden, da ich meist dafür zu müde war, wenn ich den ganzen Tag studiert hatte. Jetzt ist mir durch eine Reihe von Zufällen (spätabendlicher Aufenthalt am Bahnhof Friedrichstraße, keine Beschäftigung dabei, Gedankenblitz: Dussmann hat doch bis ganz spät offen) mal wieder ein nettes Werk in die Hände gefallen:

Jodie Picoult: Beim Leben meiner Schwester. Piper, 478 Seiten, 8,95 €.

Anna, ein 13jähriges Mädchen, dessen ältere Schwester promyelozytäre Leukämie hat, wurde in der Petrischale gezeugt; ihr Embryo wurde gezielt ausgewählt, weil ihr Erbmaterial zum Spenden geeignet ist. Im Laufe ihres Lebens musste sie immer wieder ins Krankenhaus, um ihrer Schwester das Leben zu retten: mit Nabelschnurblut, mit Stammzellen, mit Blut. Jetzt soll sie eine Niere spenden - und weigert sich. Sie nimmt sich einen Anwalt ...

Seit dem letzten Harry Potter ist dies das erste Buch, das ich nicht mehr aus der Hand legen mochte. Freitag abend gekauft, jetzt, keine 48 Stunden später, ausgelesen. Was mich daran gefesselt hat: Das Spannungsverhältnis von Recht und Ethik, die Frage nach dem Wert des Menschen, das Verstehenkönnen beider Seiten und das Nicht-Wissen, was denn nun richtig ist. Die Frage nach dem Willen Gottes, die im Buch zwar keine Rolle spielt, sich aber wohl jedem Christen, der es liest, stellen muss.

Einziges Manko: Das Ende. Es ist das klassische Autorendilemma: Ich muss jetzt einen Ausweg finden, eine Auflösung, eine Entscheidung, weiß aber nicht wie. Also drücke ich mich drum herum und mache ganz was anderes. Besser wäre es gewesen, die letzten 15 Seiten schlicht wegzulassen. Abgesehen davon aber ein hervorragendes Buch.

2 Kommentare:

Petra hat gesagt…

Ich habe mal ein Buch von Picoult quergelesen, "Keeping Faith". Es handelt von einem stigmatisierten Mädchen. Das Problem mit der Autorin ist eben, dass sie irgendwie am Rand des Katholischen tanzt, aber dann irgendwie doch nicht.

Im oben genannten Buch wird etwa durch den Schluss die gesamte Realität der Stigmatisierung und der Visionen des Mädchens, die das ganze Buch über emphatisch betont werden, wieder in Frage gestellt. Außerdem gibt's das ziemlich fadenscheinige Problem, dass "Gott" dem Mädchen als Frau erscheint, was für Verwirrung sorgt - und die Erscheinung wird nur deswegen nicht mit der Muttergottes identifiziert, weil sie weiß statt blau trägt (!). (Als würden nicht sämtliche Lourdes- und Fatima-Darstellungen weiß tragen...) Na ja, ein eher ärgerliches Buch, obwohl viele Stellen ganz nett geschrieben und gut recherchiert sind.

Amica hat gesagt…

Ich mag ärgerliche Bücher. Da kann ich mich richtig fein aufregen. (Habe deshalb auch "Sakrileg" mit großer Begeisterung gelesen - hatte tagelang schlechte Laune.) Vielleicht sollte ich mir das von Dir beschriebene zulegen.