Montag, 14. Dezember 2009

vor den lauten Gedanken verstecken

Ich hatte geschrieben, dass ich Euch an den Früchten meiner Exerzitien teilhaben lassen will. Und dennoch schicke ich etwas vorweg, was nicht Ergebnis meiner eigenen Betrachtung ist, sondern den Gedanken eines anderen entspricht. Es ist ein Auszug aus dem Buch "Proslogion" des heiligen Bischofs Anselm von Canterbury, der in Alexanderdorf als Lesung in der zweiten Nokturn vom 2. Adventssonntag gelesen wurde. Mir schien es, als gehöre dieser Text einfach unabdingbar an den Anfang von Exerzitien (auch wenn ich schon mittendrin war, als ich ihn hörte). Es schien mir beinahe unmöglich, dass jemand einen solchen Text schreiben konnte, ohne mich zu kennen - es war die perfekte Verbalisierung meines Empfindens.

Auf, du kleiner Mensch, flieh ein wenig deine Geschäftigkeit und verstecke dich eine kleine Weile vor deinen lauten Gedanken! Wirf die Sorgen ab, die auf dir lasten und lass deine Zerstreuungen. Gönne dir Zeit für Gott, komm bei ihm zur Ruhe! Geh in das Kämmerlein deines Herzens; schließ alles aus außer Gott und dem, was dir hilft, ihn zu suchen! Schließ die Tür zu, und suche ihn! Sprich zu Gott: Ich suche dein Angesicht.
Mein Herr und mein Gott, lehre du mein Herz, wo und wie es dich suchen; wo und wie es dich finden kann. Herr, wenn du nicht hier bist, wo so soll ich dich, den Abwesenden, finden! Wenn du aber überall bist, warum sehe ich dich nicht, da du doch anwesend bist? Gewiss, du wohnst in unzugänglichem Licht. Wo ist dies, oder wie soll ich Zugang zu ihm finden? Oder wer wird mich führen und hingeleiten, dass ich dich darin erblicke? Und welche Zeichen helfen mir, dich zu suchen? Was für ein Angesicht hast du?
Herr, du bist mein Gott, und du bist mein Herr; und ich habe dich niemals gesehen. Du hast mich geschaffen und mir alles Gite geschenkt. Doch immer noch kenne ich dich nicht.
Lehre mich, dich zu suchen, und zeige dich dem Suchenden; denn ich vermag dich nicht zu suchen, wenn du mich nicht lehrst. Ich kann dich nicht finden, wenn du dich nicht zeigst. Ich möchte dich suchen in Sehnsucht, nach dir verlangen im Suchen. Ich will dich finden im Lieben und dich lieben im Finden.

Keine Kommentare: