Mittwoch, 12. Dezember 2007

Psalm in meinem Leben III - 77

Ich rufe zu Gott, ich schreie, ich rufe zu Gott, bis er mich hört.
Fängt gleich ziemlich "gut" an, dieser Psalm. Der Beter geht davon aus, dass Gott ihn jetzt nicht hört. Er aber gibt nicht auf. Er ruft, schreit sogar, und hat vor, das noch eine Weile durchzuhalten - solange wie nötig. Ausdauer nennt man das, oder auch Langmut. Gleichzeitig schwingt in dieser Zeile aber eine gewisse Verzweiflung. Wer möchte schon um Hilfe schreien und dabei nicht gehört werden?

Am Tag meiner Not suche ich den Herrn; unablässig erhebe ich nachts meine Hände, meine Seele lässt sich nicht trösten.
Untröstlich sein ... Von etwas nicht lassen können ... Wenn ich von etwas nachts nicht lassen kann, so dass ich nicht schlafen kann, mache ich es auch so: Ich bete in dieser Weise, wie sie hier beschrieben ist. "Herr, bring das in Ordnung, hilf mir, lass mich nicht allein damit!" Meistens ein, zwei Sätze, die ich beständig wiederhole. So eine Nacht kann lang sein, wenn man auch über dies flehentliche Gebet nicht einschläft. Lang und traurig.

Denke ich an Gott, muss ich seufzen, sinne ich nach, dann will mein Geist verzagen.
So langsam schleicht sich Hoffnungslosigkeit ein. Und Enttäuschung. Das war nicht das, worauf ich mich am Anfang einlassen wollte. Da schien alles nicht so schwer. Bin ich betrogen worden? Es scheint alles sinnlos, es hat auch keinen Sinn, darüber so nachzugrübeln.

Du lässt mich nicht mehr schlafen; ich bin voll Unruhe und kann nicht reden.
Mein ganzes Leben ist mittlerweile davon gefangen. Ohne Nachtschlaf kann ich mein Tagewerk vergessen. Und wenn ich nicht mehr zur Ruhe kommen kann, kann ich auch sonst nichts vollbringen. Aber nicht nur dies - es ist nicht irgendwas, was mich so verzagen lässt. DU bist es, Herr, DU und DEIN Verhalten.

Ich sinne nach über die Jahre von einst, ich will denken an längst vergangene Jahre. Mein Herz grübelt bei Nacht, ich sinne nach, es forscht mein Geist.
Der Weg mit Gott - am Anfang war er breit und bequem zu gehen. Mit der Zeit wurde er schmaler, steiler, bekam auch schon mal Schlaglöcher. Und jetzt mag er einem vorkommen wie ein Trampelpfad im Wald, mit Wurzeln und Ästen, über die man stolpern kann oder gar einem umgestürzten Baum, der alles versperrt. Früher war es einfacher, und es war so einladend, sich auf diesen Weg einzulassen. Ist es da nicht logisch, jetzt mal drüber nachzudenken, ob ich tatsächlich auf dem richtigen Weg geblieben bin? Wo habe ich Fehler gemacht? Oder warum bin ich nicht mehr auf der schönen, neuen, breiten Straße mit den Blumen rechts und links und den singenden Vöglein?

Wird der Herr mich denn auf ewig verstoßen und mir niemals mehr gnädig sein? Hat seine Huld für immer ein Ende, ist seine Verheißung aufgehoben für alle Zeiten?
Verzweiflung. Fesseln. Hoffnungslosigkeit. Dunkelheit. Gefangensein. Allein. Kalt.

Hat Gott seine Gnade vergessen, im Zorn sein Erbarmen verschlossen?
Eigentlich eine Frage, die ich mir kaum zu stellen wage. Sie widerspricht grundlegend allem, was ich je über Gott gelernt habe, wie Er ist und was Er macht. Dennoch, manche Erfahrungen lassen einen ernsthaft danach fragen. Und doch: So kann ich es mir nicht vorstellen, dass Er handelt. Er vergisst doch Seine Gnade nicht ... Das kann doch nicht sein ... Das wäre ja unmenschlich ...

Da sagte ich mir: "Das ist mein Schmerz, dass die Rechtes des Höchsten so anders handelt."
Ja, da habe ich es wohl auf den Punkt gebracht: Un-Mensch-lich. Gott handelt nicht menschlich, dafür ist Er ja schließlich Gott. Seine Logik ist manchmal echt zu hoch für mich. Es ist mir manchmal wirklich unverständlich, wozu das alles gut sein soll. Unverständnis aber führt zu schnellen Urteilen. In diesem Fall lautet das Urteil: Er hat Sein Versprechen nicht gehalten, Er hat mich verlassen. Und genau daraus rührt der Schmerz.

Ich denke an die Taten des Herrn, ich will denken an deine früheren Wunder. Ich erwäge all deine Werke und will nachsinnen über deine Taten.
Ob das aber stimmt, dass Er mich verlassen hat, muss ich doch mal genauer betrachten. Was soll da näher liegen, als den Gesamtzusammenhang zu betrachten? Gott hat in der Geschichte oft für Menschen zunächst unverstehbar gehandelt. Doch was ist dann daraus geworden? Wunder, Wunder sind geschehen.

Gott, dein Weg ist heilig. Wo ist ein Gott so groß wie unser Gott? Du allein bist der Gott, der Wunder tut, hast deine Macht den Völkern kundgetan.
"Ja, Gott ist groß" - wie gern möchte ich jetzt in diesen Jubel des Psalmisten einstimmen. Aber es wäre nicht ehrlich. Bei mir vollzieht sich die Wendung nicht so schnell wie bei ihm. Schade.

Du hast mit starkem Arm dein Volk erlöst, die Kinder Jakobs und Josefs. Die Wasser sahen dich, Gott, die Wasser sahen dich und bebten. Die Tiefen des Meeres tobten. Die Wolken gossen ihr Wasser aus, das Gewölk ließ die Stimme dröhnen, auch deine Pfeile flogen dahin. Dröhnend rollte dein Donner, Blitze erhellten den Erdkreis, die Erde bebte und wankte. Durch das Meer ging dein Weg, dein Pfad durch gewaltige Wasser, doch niemand sah deine Spuren. Du führtest dein Volk wie eine Herde durch die Hand von Mose und Aaron.
Eine Fülle an Beispielen zeigt sich hier für Deine früheren Wunder, Herr. Wirst Du auch an meinem Leben solch ein Wunder tun?

Ich rufe zu Dir, ich schreie, ich rufe zu Dir, bis Du mich hörst.

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